dadAkta, Prozessschnitt
Haray, der Hase im Häusl.
Sitzt er (stellvertretend für uns) in seiner Höhle (im Sinne Platons) oder sitzt er da drin im Sinne Heideggers, im Sinne eines (momentan, geschichtlich) verfestigten und unantastbaren Realitätsentwurfs?
Im von Cicero tradierten Höhlengleichnis (von Sokrates) sind wir (Mensch) übrigens draußen und stellen uns vor wie es denen geht,
die Sonne und Sterne, die Welt unvermittelt erfahren und diese Pracht als Werk der Götter annehmen müssen (und es wurde Licht). Vielleicht war er schon vor Sokrates` Vortrag Höhlenforscher und wußte, daß es auch dort unten spannende Dinge zu entdecken gibt. Platons Höhlengleichnis ist hingegen ein sehr exklusives Bildungsgleichnis (wie den Mensch erkennen lassen was er ist), seine Höhle eine kosmologische (der Antike entsprechend, dafür kann er nix), der Effekt ein diskriminierender bestimmten Erfahrungen gegenüber, er wertet die eine Sinndimension (Erfahrungen der Höhlenbewohner) im Namen einer anderen (der seinen, die aus der Sonne kommt und sich vornehmlich in Form der gottinduzierten IDEE legitimiert) ab. Bei der Frage ob die Schatten böser Vorgänge die Höhlenbewohner zu bösen Höhlenbewohnern machen oder nicht (Platons Medienkritik szsg), widerspricht Sokrates dann auch Platons Auslegung (glaub ich mich zu entsinnen, konkret hab ich das Zitat jetzt nicht gefunden). Das Thema haben wir in der Medientheorie noch heut am Köcheln (zb im Rahmen der Diskussion um die Schädlichkeit gewaltverherrlichender Filme oder Computerspiele).
Neuzeitlichere Auseinandersetzungen mit der Höhlenmetapher befördern die Spaltung von Subjekt (Bewußtsein) und Objekt (Außenwelt) zu Tage. Hier definiert sich Erkenntnis aus Eindrücken und Informationen entstehend, wobei lt. Kant die subjektiven Strukturen (historisches Wissen) die Erfahrung schon vor der Erfahrung bestimmen (bis hin zum a priori). Unser Verstand ist nicht nur gestaltend sondern auch reziptiv, er braucht Bilder ("diskursiver, der Bilder bedürftiger, Verstand" (intellectus ectypus), Kant, Kitik der Urteilskraft).
Das führt dann wohl in direkter Linie weiter zum heutigen, konstruktivistischen Umgang mit der Bewußtseinsforschung, zb. in Form des Zerebralismus (Gehirnforschung; wir wissen ehe wir erfahren und wir tun ehe wir handeln... was ich wiederum aber für eine Verzerrung aufgrund einer Fehleinschätzung der Äußerung "Zeit" halte, so nebenbei).
Ich denke unser Haray sitzt in seinem Häusl/seiner Höhle um Heideggers "In der Welt sein" oder "Dasein" zu kontrastieren. Dieses zeichnet sich durch unsere Fähigkeit aus, uns zu unserm Sein, zu unserer Existenz, infragestellender Art und Weise zu positionieren. Hinterfragen wir noch die Realitätsentwürfe die unser Sein bestimmen? Hier sehe ich einen schlüssigen Ansatz für Medienkritik (wenn man so sagen will): sind wir noch wachsam gegenüber sich zur Unantastbarkeit entwickelnden Realitätsentwürfen oder -konstruktionen welche die Höhleneingänge (von der Sonne in die Höhle) symbolisieren? Die Globalisierung wie die digitale Kommunikation seh ich als solch zeitgenössische Löcher in der Erde die substanziell weitgehend unhinterfragt bleiben. Und man kann sie auch schwer hinterfragen, weil sie sich aus sich selbst und ihren Äußerungen für unsere . Körperlichkeit, wenn man so will; fürs Berufs-, Beziehungs-, Kreativleben . argumentieren. Damit sind sie verfestigt und widersinnen der "gestaltenden Tätigkeit unseres Erkennens und Handelns im Rahmen eines offenen und geschichtlichen Horizonts" nach Heidegger.
Ok, damit hab ich in etwa meinen Hintergrund zum Höhlengleichnis bzw. zur Höhlenmetapher umrissen. Nachdem ich kein Philosoph bin fehlen mir da unter Umständen ein paar wesentliche Etappen in der Höhlenevolution, bitte auf diese hinzuweisen sofern dir Widersprüchlichkeiten auffallen.
In Folge möcht ich kurz den Hasen aus dieser Position heraus portraitieren.
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Da sitzt Haray in seinem Häusl, heimelig aufgehoben unter Blinklichtern, Lüftergeräuschen, wohlig bestrahlt vom zartblauem Schein des Bildschirms, des Fensters zur Welt, der Internetanschluß als Lebensader dieses fragilen Idylls, die Nabelschnur zum (übrigens von Neil Stephenson in "Snow Crash" trefflich vorausgezeichnetem) Metaversum. Haray ist nett, mag es mit anderen zu kommunizieren, er versteht sich als Freund der Künste und versucht sich rundum darin, das nette Häschen im Plüschbau zu sein, welches er augenscheinlich auch ist. Doch was, wenn das Metaversum ihm nur noch unschönes, bösartiges gar widerwärtiges erfahren lässt? Wird das liebe Häschen Haray dann zum bösen, mordlustigen Rammler? Oder hält er fest an seiner gestaltenden Tätigkeit des Erkennens, behält er das Rüstzeug aus seiner Vergangenheit zur Vermessung seiner verfügbaren In-Formationen? Aber hat er eine Vergangenheit vor der Höhle? Hat er die Erfahrung des hoppelns durch saftige Wiesen noch gemacht? Oder wurde er bereits als Baby-Häschen ans Metaversum angekoppelt, geprägt und trainiert auf Eingabeschnittstellen zur Selbst-Artikulierung und Zuneigung in Form rosarot illuminierender Bildschirmausgaben? Oder ist das unwichtig? Hat er gar göttlich schöpferischen Ur-Verstand der ihm die Eindimensionalität seiner medialen Eindrücke kompensiert? Ist es gar egal, wie sich "das Leben" medial äußert, sind die Schlüsse ohnehin vorweg bestimmt weil verstoffwechselt in neuronalen Netzen in Form von Fortpflanzungstrieb etc.? Wir wissen es bis heute nicht. Begehren wir Einlaß in Harays Höhle, so werden wir als Querläufer geächtet, angemurrt und des Häusls verwiesen, ja schon die Annäherung wird mit mürrischem Groll geahndet. Warum auch nicht? Man hat seine Privatheit zu akzeptieren, eine Privatheit mit dosiertem Anschluß ans Kollektiv in Bild und Wort. Das ist er bereit zu geben, wir sind nicht berechtigt uns "mehr" von ihm zu nehmen als er uns zugesteht. Wir haben nicht das Recht ihn nach draußen an die Sonne zu locken, ja wollen wir ihn etwa blenden und üblen Freßfeinden ausliefern? Wir scheinen die Bösen zu sein, die ihn aus der Sicherheit seines Plüschidylls zu zerren versuchen. Auf was hinauf? Was können wir der sicheren, der seine körperliche Sicherheit garantierenden, Obhut dieser Höhle, dieses Scheißhäusls, entgegenstellen? Welchen Grund, welche Motivation können wir ihm denn anbieten, womit ihn locken? Womit würden wir uns an seiner Stelle locken lassen, was würde uns überzeugen, den Anblick der Schatten an unseren vertrauten Höhlenwänden einzutauschen gegen grell-verwirrende Welten voller Ungewißheiten? Wohl wissentlich der Tatsache, daß wir bei einer etwaigen Rückkehr ebenso in den Reihen der Geächteten, weil Unverständnis in der Welt der Harays stiftenden, zu verorten sind. Was würde uns zu diesem Sprung ins kalte Wasser verführen können? Sehnen wir uns nicht im Gegenteil, nach einem Hasenleben wie Haray es führt, nach der Stille, der Ruhe mit uns selbst, der stufenlos dosierbaren Gesellschaft in herrlicher Distanziertheit und Unverbindlichkeit. Wollen wir ihn etwa nur rauslocken, aus seinem Häusl, um uns an Stelle seiner dort häuslich niederzulassen? Gestehn wirs uns ein, wir sind ihm sein Höhlendasein neidig, es verspricht uns aus dem selben Ur-Verstand heraus, den wir argumentativ in Haray gern wirkend wüßten damit er seinen Platz auch mal verlässt (weil uns doch irgendwie beängstigt wofür er uns steht), eine neue Dimension unserer Existenz, eine Evolution unserer selbst. Ist nicht der Alltag im Rückzugsraum der Privatheit das, wonach unser aller, mehrheitlich zumeist unprivater, Alltag außerhalb des Metaversums uns beständig dürstend macht? Raus aus der Gehetztheit, der Unterdrücktheit, Angepasstheit und Domestiziertheit? Ist Haray damit nicht der Gipfelstürmer postmoderner Gesellschaftsethik, schön objektiv und wohlgesonnen doch engagiert nur nach eigenem Ermessen? Suchen wir nicht schon seit jeher, mit all unseren Bestrebungen in Technik, Philosophie, den Wissenschaften, ja in all unserm Vorwärtsdrängen, den Ausweg aus diesem Wirrwarr aus Unernehmlichkeiten und Risiken? Die Sicherheit, die Beständigkeit, den Locus?
Einst steht wohl fest, die begründende Begrifflichkeit für all unser Tun ist der Wille, sei es der eigene oder ein fremder, doch dieser Wille ist formbar und rezeptiv und dirigiert wird er wohl von unserm, nach Bildern, nach Erlebtem, lächzenden Verstand und seinem Werkzeug dem logos. Damit ist die Auswahl dieser Bilder mitentscheidend für unser Wollen. Denn wir wollen gestalten, und wir gestalten in erster Instanz durch unser Erkennen und erst in Folge des Erkennens durch unser Handeln. Doch etwas erkannt zu haben bedingt es vorher nicht- oder verkannt zu haben und impliziert damit die Möglichkeit des erneuten Verkennens, wie die Geschichte und va. die Geschichte der Wissenschaft das an vielen Stellen demonstriert. Und deswegen dürfen wir uns den Äußerungen unseres Wollens nicht unhinterfragt ausliefern, wie wir das, spätestens zur Jahrtausendwende, begonnen haben mit digitalen Medien (ua.) zu tun. Mit den schattenhaften Silhouetten an unseren ganz privaten Höhlenwänden. Das scheint mir die Message zu sein, die unser Haray vermitteln möchte. Isn't it?