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Idola Theatri (Trugbilder des Theaters/der Tradition)

Irrtümer aus überlieferten, überzeugend dargelegten Lehrsätzen: "Dogmen" oder Meinungen einer Autorität, die wir glauben, ohne zu "hinterfragen"
[Francis Bacon, Novum Organum, 1620]

Über ein sehr prägnantes Essay Francis Bacons "Über die Freunschaft" hat sich ein Gedankenfluß durch verschiedenste Szenarien eröffnet der hier

kurz skizziert werden soll.

Im Novum Organum, der >>Neuen Ordnung<< beschreibt uns Bacon 4 Trugbilder welche uns beim erforschen der Dinge, im Sinne einer ihm vorschwebenden Erneuerung der Wissenschaft (Der Titel ist schon Rückbezüglichkeit auf das Aristotelische "Organon"), hinderlich sind. Die Idee ist zu Francis` Zeit nicht neu und lehnt stark an Ciceros Typologie der 4 Masken oder des 300 Jahre zuvor wirkenden Namenspatrons Roger Bacons "Unbelehrbarkeit der Sinne", etc. Aber Francis überwältigt noch heute als grandioser Sprachkünstler, ein unschätzbares Attribut für eine Theorie in den Mühlen der Geschichte.

Was lässt sich nun finden, in der Iola Theatri, in der Autoritäten eine so große Rolle spielen, die uns glaubend machen ohne zu hinterfragen? Ich persönliche finde die Auseinandersetzung mit diesem erklärten "Trugbild" Bacons in heutigen Tagen vielleicht gefragter denn je. Bei all der Fülle an Wissen und Erkenntnissen, Basisbildung, humanistischer Bildung, Fachbildung, Nach-, Fort-, Weiterbildung etc. die wir alle mit uns tragen, kommen wir wohl nicht umhin den Anteil der Idola Theatri exproportional zu erhöhen. Unsere akademischen Hierarchien begründen sich ja nur darauf, festgeschriebene Grundannahmen als Fundament für eigene (ab dem Doktorat) Überlegungen heranzuziehn und so einen behauenen und in seiner Stimmigkeit verifizierten Stein auf den anderen zu setzen. Was wenn diese Fundamente ungünstig ausgerichtet sind oder gar in Überschwemmungsgebieten gesetzt wurden? Möchte man Cicero, Roger & Francis Bacon und vielen andern Begründern unserer heutigen Denkkultur glauben schenken, ist damit tendenziell zu rechnen.

Was wenn Aristoteles` Inspiration zur Politie wie in unserer Historie nicht selten gesehn, fremdbestimmt war oder gar abgenötigt wurde. War nicht schon ganz zentral in seinen Überlegungen die Verteilungsfrage ausgeblendet worden, aus irgendeinem Grunde die Kluft zwischen Arm und Reich, frei und unfrei niemals zu füllen, festgeschrieben worden? Was wenn Aristoteles sich der Verteilungsfrage so zentral gewidmet hätte wie der Organisation dieser Ungleichgewichte? Systemerhaltung ist wohl ein zentrales Anliegen jedes Lebensverbundes, vielleicht war die epochale Leistung der griechischen Antike die Manifestation dieses Urinstinkts in einer Art "Kultur", einer Grundhaltung des Akzeptierens von gut und böse, den Gegensätzlichkeiten, der Scheinheiligkeit oder whatever. Dies sind dann wohl jene Autoritäten welche unser Denken - kulturell bedingt - aus der Basis motivieren, unhinterfragt.